Stellungnahme zum Vorfall am 3. Juni
Statement zu den Vorfällen bei der FCLR-Veranstaltung "Die Gegenwart des Antisemitismus: Zur kritischen Analyse von Judenfeindschaft heute" am 03. Juni 2024
Als AStA der Uni Bonn haben wir bisher kein Statement zu den Protesten und Aktionen an der Uni im Zusammenhang mit dem Nahostkonflikt veröffentlicht. Am vergangenen Montag wurde allerdings von Seiten der propalästinensischen Aktivist*innen eine rote Linie derart überschritten, dass wir uns gezwungen sehen, uns zu äußern.
Zum Hintergrund:
Am Montag, dem 03. Juni, fand unsere Veranstaltung „Die Gegenwart des Antisemitismus: Zur kritischen Analyse von Judenfeindschaft heute” mit Prof. Dr. Lars Rensmann im Rahmen des Festival contre le racisme statt. Aufgrund der Erfahrungen bei Veranstaltungen im universitären Kontext in den letzten Wochen rechneten wir mit Störungen in Form von Zwischenrufen, Abspielen von Musik oder Ähnlichem.
Darstellung der Geschehnisse:
Zu Beginn der Veranstaltung beschränkten sich die Störungen wie erwartet auf dazwischengerufene Parolen. Nach der zweiten Störaktion sprach eine Person vom AStA eine Personengruppen an, die bereits an vergangenen Aktionen und Protesten im Rahmen des Nahostkonflikts beteiligt war, und bat diese, entweder jetzt zu stören und zu gehen oder bis zum Ende des Vortrags ruhig zu bleiben und die Veranstaltung zu verfolgen. Ein Mann aus der Gruppe stand auf und begann „Freiheit für Palästina“ zu brüllen. Als er bemerkte, dass eine Person in der Reihe vor ihm die Störung filmte, begann er unvermittelt und brutal in Richtung des Kopfes dieser Person zu schlagen. Nur durch den Einsatz mehrerer Besucher*innen und Personen aus dem AStA konnte der Mann von seinem Opfer entfernt und an die Wand gedrängt werden. Dabei gelang es ihm, einen anderen Zuhörer in den Schwitzkasten zu nehmen und ihn zu würgen. Von der Campus-Security wurde die Situation dann aufgelöst und die Person nach draußen gebracht; die weiteren Personen, die zu dem Mann gehörten, schritten nicht ein, sondern begannen, noch während er um sich schlug, Parolen zu rufen und mussten ebenfalls von der Campus-Security nach draußen gebracht werden. Da die Situation aus unserer Sicht aufgelöst war, wurde sich dazu entschieden, nicht direkt die Polizei hinzuzuziehen. Wir stehen im Austausch mit den angegriffenen Personen und erwägen momentan, weitere Schritte einzuleiten.
Im Anschluss konnte die Veranstaltung störungsfrei und mit einer abschließenden, konstruktiven Diskussion fortgesetzt werden, obwohl verschiedene Teilnehmende eindeutig geschockt waren. Eine Person erlitt eine Panikattacke und musste zwischenzeitlich den Raum verlassen.
Die Eskalationsdynamik
Wir sind schockiert über die Gewaltbereitschaft, die mittlerweile Einzug in die selbsterklärte „Pro-Palästina-Bewegung” im Umfeld der Uni Bonn gehalten hat.
Es gibt viele legitime Protestformen wie z. B. Demonstrationen oder Protestcamps. Gewalt gegen die eigenen Kommiliton*innen oder weitere Dritte stellt allerdings einen Tabubruch dar, den wir bislang nicht für möglich gehalten haben, der nicht hinnehmbar ist und den wir in keiner Weise tolerieren werden. Daher gab es zwei Moderator*innen, die zunächst einmal auf Störer*innen zugehen sollten, um mit diesen zu sprechen und sie zu bitten, die Störungen zu unterlassen. Eine weitere Person stand in Kontakt mit der Campus-Security, um diese bei Bedarf hinzuziehen zu können, wenn Störer*innen trotz Ansprache die Störungen nicht beenden.
Wer dies anders sieht, hat offenkundig kein Interesse an einem ernsthaften Diskurs. Der gewalttätige Übergriff auf unsere Zuhörer*innen reiht sich ein in eine Eskalationsdynamik, die von den Aktivist*innen des Protestcamps offensichtlich forciert wird. Auf die Errichtung des Protestcamps folgten die Störungen einer Vorlesung, des Mensabetriebs samt Abfilmen der Mensamitarbeiter*innen und die Störung des Vortrags der Deutsch-Israelischen Gesellschaft mit einem linken, regierungskritischen Israeli am 13. Mai. Dementsprechend passieren die Störungen offenkundig unabhängig von den Inhalten der Veranstaltungen, allerdings gehäuft wenn israelische Personen beteiligt sind oder sich mit Antisemitismus beschäftigt wird.
„Students for Palestine Bonn“:
Im Zuge der Aktion am vergangenen Wochenende, bei der die Gruppe „Students for Palestine Bonn“ Parolen und einzelne Wörter auf die Fassade des Hauptgebäudes projizierte, war zeitweise auch der Aufruf „Yallah Intifada“ zu lesen – seitdem ist ein Foto davon das Instagram-Profilbild der Gruppe. Dass dies einen Aufruf zu antisemitischen Pogromen darstellt, da sich damit eindeutig auf die erste und zweite Intifada bezogen wird, bei der über 1.000 Jüdinnen*Juden ermordet wurden, wird von den „Students for Palestine Bonn“ ignoriert und es wird auf die ursprüngliche Bedeutung des Wortes (= „aufstehen und abschütteln“) verwiesen. Diese offensichtlichen Versuche, Gewalt gegen Jüdinnen*Juden zu legitimieren, finden wir erschreckend.
Die auf einer Sitzung des Studierendenparlaments an die Aktivist*innen herangetragenen Sorge und Angst jüdischer Studierender sowie der Bericht der Jüdischen Hochschulgruppe, dass sich fast alle ihrer Mitglieder aktuell nicht in die Universität trauen, wurden von den Aktivist*innen in verächtlicher Manier abgewehrt. Die beteiligten Gruppen seien durchweg friedlich und bergen keinerlei Gewaltpotential, wurde uns versichert. Als es am 29. Mai zu der Auflösung der Besetzung des Hauptgebäudeeingangs und der anschließenden Räumung des Camps kam, wurden durch propalästinensische Aktivist*innen Mitglieder des AStA und als proisraelisch vermutete Kommiliton*innen mit „Zionazi“-Rufen als Gegner markiert.
Einer proisraelischen Protestkundgebung gegen das Camp am gleichen Tag wurde durch Campteilnehmer*innen die Forderung Israel auszulöschen entgegen gebrüllt. Dass sich bei der Räumung des Camps mitten unter den Teilnehmer*innen ein Aktivist mit sichtbarem rotem Dreieck und damit einer Hamas-Symbolik, auf dem Oberteil bewegte, ist vor diesem Hintergrund keine Überraschung mehr. Jegliche Beteuerungen der eigenen Gewaltfreiheit haben sich als null und nichtig und als reine Lippenbekenntnisse erwiesen.
Gegen jeden Antisemitismus:
Wir verurteilen, dass es den Aktivist*innen von „Students for Palestine Bonn“ und den mit ihnen assoziierten Gruppen nicht möglich ist, legitime Kritik am Vorgehen Israels unter der Netanjahu-Regierung im Gaza-Streifen zu äußern, ohne gleichzeitig die Hamas als Befreiungskämpfer zu feiern oder eine neue Intifada und die Auslöschung des Staates Israel zu fordern. Die Umsetzung dieser Forderungen würde schlussendlich den Mord an Jüdinnen*Juden bedeuten und diese sind – unabhängig von der zugrunde gelegten Definition – klar antisemitisch.
Wir bitten um Entschuldigungen bei allen Personen, die auf unserer Veranstaltung verletzt wurden und werden uns Maßnahmen überlegen, um die Sicherheit unserer Veranstaltungen in Zukunft zu erhöhen. Gleichzeitig bedanken wir uns bei allen Anwesenden, die eingegriffen und damit Schlimmeres verhindert haben.
Zu guter Letzt sei dem RCDS an dieser Stelle auch noch gesagt: Wir finden es höchst unverschämt, gegenüber dem General-Anzeiger ein falsches und unvollständiges Bild der Ereignisse zu schildern. Es war mitnichten eine „kurze Rangelei zwischen Gasthörer und Störer“, sondern ein brutaler Angriff, der in Anbetracht von mehreren unvermittelten Schlägen Richtung Kopf, glücklicherweise für das Opfer noch glimpflich ausgegangen ist. An rassistischen Abschiebefantasien beteiligen wir uns als AStA selbstverständlich nicht und lehnen diese in jeder Form ab.